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Dort habe sich die PDS permanent sabotierend betätigt. Wo? Im Schulwesen der Stadt und besonders im Unterrichtsfach Geschichte. Ihrer Senatsbeteiligung wird angelastet, daß Schüler, namentlich in den Ostbezirken, so die Gewährsperson der Zeitung, "keinerlei Vorstellung davon haben, was eine Diktatur ist". Sie wüßten "wenig über die DDR", ja, ihr Wissen vom untergegangenen Staat tendiere "gen Null", gehe gar mit "Verklärung pur" einher. Gegenmaßnahmen seien von einer Regierung nicht zu erwarten, in der eben die "PDS sitzt". Übergehen wir, daß diese Darstellung dem Diepgen-Senat der großen Koalition, der rund ein Jahrzehnt Zeit hatte, an den Schulen Ordnung zu schaffen, die schlechteste Note ausstellt. Sofern man nicht unterstellt, dass es den demokratischen Sozialisten gelungen sei, zunichte zu machen, was löblich begonnen wurde. So weit geht die verleumderische Attacke denn doch nicht, aber sie geht schon weit genug. Denn was hat die PDS in der Bundeshauptstadt nicht alles für die Verbreitung eines Geschichtsbildes getan, das beim Rückblick in die DDR Gruseln erweckt. Da war der Kotau beim Eintritt in den Senat. Dann die volksgemeinschaftliche Erklärung aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien anläßlich des 17. Juni. Jüngst die Reden des amtierenden Regierenden Wolf zum Jahrestag des Attentats auf Hitler. Das läßt sich in jedem Geschichtsunterricht verwenden, in dem der Leichnam DDR zum Nachtreten freigegeben wird. Jedoch, so wieder Die Welt, greife zu kurz, wer das Dilemma mit der DDR-Vergangenheit auf die Schule beschränke. Verklärung greife insgesamt um sich und die Tendenz, "die SED-Diktatur zu verharmlosen". Es vollziehe sich eine "Boulevardisierung der DDR-Geschichte". Was mag gemeint sein? Daß die Geschichte der Untergegangenen nun auf breiten Straßen gelehrt, dort gar auf Bühnen vertont von Spielleuten dargeboten wird? Daß Erinnerung auf die Errichtung der breiten Straßen im einstigen Berlin-Ost reduziert werden soll, auf den Bau der Karl-Marx-, ehem. Stalinallee und den der Leipziger Straße, bevor deren Rückbau begonnen und dieser Boulevard verschwunden sein wird? Oder sollen nur Anwohner von Boulevards noch etwas über die DDR-Geschichte erfahren? Gemach. Charakterisiert wird ein Vorgang, der abzusehen war: Die Geschichte der Ostdeutschen ließ sich auf Dauer nicht in dem Bezirk halten, der mit den Begriffen Stasi, Repression, Mauer, Todesschützen, Mielke eingepflockt worden war. Das erwies sich als unmöglich trotz des Aufwandes, der dafür getrieben wurde und nach wie vor getrieben wird. Die diesen Bezirk verteidigen und Grenzüberschreitungen verhindern wollen, sehen sich bedrängt und beginnen zu lavieren. Sie geben, wieder Die Welt, nun vor, zuzustimmen, wenn "mit 13-jähriger Verspätung auch der Alltag der DDR Einzug hält in unsere Betrachtungen". Fehl geht, wer meint, daß da unter Alltag verstanden wird, was von Historikern und auch von Laien so genannt wird: also zunächst der Arbeitsalltag, der doch von Montag bis Freitag mindestens die Hälfte der Zeit ausfüllte, die die Masse der DDR-Bürger wach verbrachte. Würde davon gehandelt, gelangt man zu den Bedingungen, unter denen Arbeiter und Angestellte in Betrieben ihren Lebensunterhalt verdienten, zur Abwesenheit der Furcht vor Arbeitslosigkeit, zu Rechten von Direktoren, Gewerkschaftsfunktionären und Meistern, und deren Grenzen, zur Existenz von Betriebspolikliniken, -kindergärten, -büchereien, -konfliktkommissionen und weiterem. Alltag meint hier anderes: Keine Westreisen, keine Bananen, kein "Big Brother", keine Bildzeitung, kein Mallorca. Kurzum: Eingesperrtsein, Langeweile, Öde ringsum. Jeder Glücksmoment den Machthabern abgetrotzt. Aber derzeit, warnt Die Welt, bestehe die Gefahr, daß Fernsehen und Film dem Volke nicht diese, sondern andere Bilder vorführen, wonach "die DDR ein einziges fröhliches Schunkeln war". Dies beweise der Film "Good bye Lenin!", der, wie es entwaffnend offen heißt, "keinem hilft". Keine Hoffnung? Doch. Die eben generalstabsmäßig inszeniert Kampagne anlässlich des Jahrestages des 17. Juni gebe die "Aufarbeitung" von DDR-Geschichte beispielhaft. Sie stehe "wie ein Leuchtturm in der Brandung". Gut. Pfarrer Eppelmann nun noch in der Rolle des Leuchtturmwärters. Wer aber gibt die Brandung? Dunkle Mächte? Filmemacher? Fernsehredakteure? Popkünstler? Ostberliner Lehrer? Junge Burschen, die sich aus Gaudi provokatorisch das FDJ-Hemd überstreifen? Die Veranstalter der Ausstellung "Kunst in der DDR" in der Nationalgalerie? Die PDS jedenfalls nicht. Das 1990 verordnete DDR-Bild wird nicht mehr nur von jenen in Zweifel gezogen, die es vom Zeitpunkt seiner Darbietung an für eine Zwecklüge hielten. Andere leitet die Erfahrung, daß das Schreckensbild unglaubwürdig blieb. Das läßt sie zu Teilkorrekturen greifen. Was die entstandene Bewegung zeitigen wird, ist unentschieden. Von dem Zeitpunkt, da die Geschichte des ostdeutschen Staates nach Prinzipien erforscht werden wird, die im Reiche der Klio weithin gelten, sind wir entgegen mancher zu vernehmender froher Botschaft nach wie vor ziemlich entfernt. Das von Kurt Pätzold zitierte Interview mit Freya Klier erschien am 13. August in der Welt.
Erschienen in Ossietzky 18/2003 |
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