Stille Amerikaner und brave deutsche Untertanen

von Eckart Spoo

In diesen Tagen läuft in einigen, zu wenigen Kinos der Film "Der stille Amerikaner" nach dem Roman von Graham Greene. Angeblich um Augenkranken zu helfen, kommt ein junger, sympathisch wirkender US-Bürger nach Vietnam; doch sein Medikament ist Sprengstoff. Die Truppe eines brutalen vietnamesischen Generals verübt damit massenmörderische Anschläge, die dann den Kommunisten angelastet werden. Die Medien sind ja immer bereit, Lügen über die Kommunisten zu verbreiten; jegliche Recherche unterbleibt. Die Geschichte von dem jungen, sympathisch wirkenden CIA-Mann, der das militärische Eingreifen der USA in Vietnam vorbereitet, spielt vor 50 Jahren - zur gleichen Zeit wie der Putsch im Iran, an den Werner Biermann in diesem Ossietzky-Heft erinnert. Nicht viel anders agierte der US-Geheimdienst vor 30 Jahren in Chile; auch in diesem Fall beteiligten sich die bundesdeutschen wie die US-amerikanischen Medien treulich an der Desinformation, mit der die Täter ihre Spuren zu verwischen versuchten.

Von den vielen Lügen, mit denen Bush und Blair um unser aller Zustimmung zur Eroberung des Irak und der dortigen staatlichen Ölquellen warben, ist eine nach der anderen geplatzt. Einer der Hilfswilligen in der Kriegskoalition, der dänische Außenminister Per Stig Møller, macht jetzt gar einen "Tippfehler" verantwortlich: Statt "fra" habe "før" in seinem Manuskript stehen sollen - nicht ab, sondern vor 1995 seien im Irak chemische und biologische Waffen gefunden worden. Peinliche neue Lügen zur Ablenkung von den geplatzten früheren. Aber keiner dieser Lügner, Völkerrechtsbrecher und Kriegsverbrecher ist bisher zum Rücktritt gezwungen worden, denn unsere tonangebenden Medien finden das alles nicht so schlimm. Wichtig ist ihnen etwas ganz anderes: daß unser Kanzler, wenn er in die USA reist, dort mit freundschaftlich wirkenden Grimassen, mit Händeschütteln und Schulterklopfen empfangen wird. Und daß Deutschland sich als "partner in leadership" (Bush sen.) am weltweiten Beutemachen beteiligt.

Deswegen lassen sie auch ungern zu, daß einzelne Journalisten Recherche-Ergebnisse vortragen, die auf Lücken und Widersprüche in der offiziellen Verschwörungstheorie über den 11. September 2001 hinweisen, denn diese Theorie soll ja weiterhin den "Jahrhundertkrieg gegen den Terrorismus" (Bush jun.) rechtfertigen. Zuhauf fallen nun Journalisten, die es selber nicht für nötig gehalten haben, in diesem Fall zu recherchieren, obwohl er nach Recherche schreit wie noch keiner zuvor, über die Kollegen her, die das getan haben, was eigentlich die Aufgabe von Journalisten ist.

Mit Schimpfworten wie "Idioten", "Verrückte", "Psychopathen" und "völlig durchgeknallt" meinte dieser Tage zum Beispiel Hans Leyendecker (Süddeutsche Zeitung) ihnen ohne jedes sachliche Argument beikommen zu können, und das Fernsehmagazin Panorama versuchte Autoren wie Gerhard Wisnewski, Mathias Bröckers und Andreas von Bülow dadurch unglaubwürdig zu machen, daß es zugleich dem Neonazi Horst Mahler Gelegenheit gab, antisemitischen Unsinn über den 11.9.01 von sich zu geben - als hätten er und sie irgend etwas gemein. Eine besonders schäbige Methode.

Auch bei uns sind "stille Amerikaner" am Werk. Und viele brave Untertanen, die einfach die Vorstellung nicht ertragen , daß ihr großer Chef als Lügner gelten könnte und nicht mehr respektiert würde - auch wenn sie längst wissen, daß er lügt. Denn sonst könnte sich womöglich Rebellion ausbreiten. Davor sich selber und uns alle zu schützen, werden sie immer und ewig als ihre Pflicht ansehen.

MAKremser, Stille Amerikaner und brave deutsche Untertanen (14. Oct. 2003, 18:21)

Erschienen in Ossietzky 18/2003