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Vertreter der Enkel antworteten auf "die Frage, ob auch künftige Generationen sich noch mit dem Holocaust befassen werden ... : ›Ja, wenn sie mögen.‹" Diese offene Auskunft läßt mich nach der ersten Generation fragen: Nahmen keine Täter oder Opfer teil? Und von Thierse hätte ich gern gehört, ob er als Fleißarbeiter im DDR-Kulturministerium dort nicht wenigstens ein Opfer des Faschismus getroffen hat. das ihm den DDR-Antifaschismus vielleicht hätte begreiflich machen können? Endlich die dritte samt allen nachfolgenden Generationen - wer will denn prophezeien, was sie von vergangenen Verbrechen halten werden? Ich erinnere mich, daß ich als Schüler nicht sonderlich bewegt war, als ich hörte, Tilly habe nach der Erstürmung Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg die Stadt plündern und die Einwohner abschlachten lassen, weil die Soldaten ihre Beute und ihren Spaß haben wollten ... Im Fernsehen war mal wieder Goebbels zu besichtigen, wie er bei seiner zahlreichen Zuhörerschaft auf die Frage nach der Bereitschaft zum totalen Krieg stürmische Zustimmung erntete. In den anschließenden Nachrichten feierte ein stattliches US-Publikum frenetisch seinen Kriegspräsidenten. Bin ich ein Böser, wenn mich der zweite Applaus an den ersten erinnert? Muß ich als Deutscher mein Gedächtnis zensieren? Ach, ich weiß, der mit Atombomben drohende US-Hardliner darf unter keinen Umständen mit Hitler verglichen werden. Aber griff der nicht so deutlich nach der Weltherrschaft wie vordem das Römische Imperium und nach ihm heute der gottesfürchtige Fundamental-Bush? Vergleiche sind Glückssache. Der lebenslange Hitlerjunge Helmut Kohl setzte Gorbatschow mit Goebbels in eins, bevor er ihm die DDR abluchste, die er dann per Treuhand bis zur Insolvenz förderte, so daß sie seither als Mühlstein am deutschen Halse hängt. Übern Atlantik herüber dringt das Ceterum censeo ölgeiler Bushies. Karthago heißt nun Irak, Satan Hussein ist Hitler II. Doch zwischen Cato dem Älteren und seinem texanischen Wiedergänger klaffen über zweitausend Jahre Rückentwicklung des Menschen zum Affen. Schon läßt der High-Tech-Herrscher seine Truppen in der Wüste herummanövern. Im Zweistromland, wo der Sage nach Milch und Honig paradiesisch flossen, soll endlich die ölige Freiheit ausbrechen. Hitler, der Stümper, wollte übern Kaukasus zu Rommel nach Afrika und weiter bis Indien. Bush ist immer nur auf dem Weg zu unbegrenzten Treibstoffvorräten. Und so tief religiös, daß dem alten Herrn in Rom der Verdacht auf Ketzerei einkommt. Mit "rationalem Pazifismus", wie er es ausdrücklich nennt, tritt er dem texanischen Kriegsgott Dabbeljuh entgegen, der zum Kreuzzug aufruft, daß es uns Europäern von Woytila bis Schröder/Fischer graust und selbst Stoiber sich bedeckt hält, während Rühe und Merkel samt Schäuble halbkriegerisch stammeln. Die Kamarilla drängt zur Macht, auch wenn's Kriege mitzuführen gilt. Doch das Volk, besonders das östliche, angeschlossene (sic, Herr Thierse!), mag noch nicht so recht. Muß man es eben raffinierter hinlocken, statt wie Kanzler und Außenminister den transatlantischen Gehorsam brutalstmöglich aufzukündigen (wie lange wohl). Der Spiegel meldete, im Berliner Kanzleramt wundere man sich darüber, "daß die US-Regierung den militärischen Konflikt nicht mehr als letztes Mittel ansieht, sondern als eines unter vielen". Da ist das Kanzleramt einfach schlecht informiert. Unter der Überschrift "Bundeswehr vor neuen Herausforderungen", gedruckt in Soldat und Technik 1/1995, erklärte der damalige Generalinspekteur Klaus Naumann, man müsse "auch Instrumente militärischer Art als ultima ratio der Politik bereithalten", und fügte zielbewußt hinzu: "Wobei ich immer wieder darauf hinweise, daß ›ultima‹ das äußerste Mittel der Politik heißt und nicht das letzte." Als ich im Bonner Verteidigungsausschuß den damaligen Minister Rühe danach befragte, antwortete er ausweichend, und die SPD-Ausschußmitglieder schwiegen, als ginge es sie nichts an. Wer sich heute darüber wundert, hat entweder ein Informations- oder Gedächtnisdefizit. Naumanns "Vorwärtsverteidigung" war mit dem Pentagon abgestimmt. Die Wortwahl hätte als frühe Sprachregelung Aufmerksamkeit erregen müssen, denn darin deutete sich schon zu Clintons Zeiten die neue aggressive Militärdoktrin an. Wenn der Krieg als äußerstes Mittel der Politik und ausdrücklich nicht als ihr letztes gilt, kann er beliebig vorgezogen werden. Der US-Präsident wird den völkerrechtswidrigen Präventivkrieg also nach Gutdünken auch an der UNO vorbei anordnen. Der Konflikt, in Naumanns Rede von 1995 nur als sprachliches Detail auftauchend, wuchs sich über sieben Jahre ins Globale aus. Im 20. Jahrhundert stand die rote Weltrevolution gegen den Krieg und unterlag. Im 21. Jahrhundert steht Krieg gegen grüne Revolution. Falls die Europäer auf Aggression einschwenken, bleibt die grüne Fahne des Propheten. Der altersaufmüpfige Scholl-Latour darf bei den Öffentlich-Rechtlichen seine Skepsis verbreiten und rät als Gegenwehr zur europäischen Atomrüstung. Das ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wer sich dem ewigen Söldnertum entziehen will, kann nur Pazifist werden, falls er die Courage dazu besitzt. Europa steht vor der Entscheidung. Die Deutschen haben ihr Stalingrad schon hinter sich. Hitler wollte einen Schutzwall am Ural errichten, danach England samt Indien und den USA erobern. Die Sieger übers Nazi-Reich vermögen heute Länder wie den Irak leicht von der Landkarte zu schnippen. Am riesigen asiatischen Kontinent können sie sich nur die Zähne ausbeißen. Gegen Cäsars, Napoleons und Hitlers Nachfolger im Größenwahn stehen Woytilas Warnungen - die losgelassenen US-Öl-Fundis sind nur noch durch die Exerzitien eines Engels vom in sie gefahrenen Teufel Größenwahn zu befreien.
Erschienen in Ossietzky 3/2003 |
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