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Das war zu Zeiten eines die Stadt Regierenden, dessen Name schon nahezu so gründlich in Vergessenheit geraten ist wie die Tatsache, daß er einen Koalitionspartner besaß, der sich noch immer ungeniert rot nennen lässt. Wer aber vermag sich einer Veranstaltung jüngeren Datums zu erinnern, in der gefragt worden wäre: Und was hatten wir davon? Oder gar: Was bleibt? Den Fragen hat sich nun Professor Werner Knopp, langjähriger Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in einem Vortrag genähert. Das geschah in Potsdam, nicht eigentlich öffentlich, aber auch nicht geheim. Ort des Vorkommnisses: das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr. Zunächst war von den "Wellen" der Beschäftigung mit Preußen in Nachkriegsdeutschland die Rede. Deren erste aus den Zeiten der sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR, nur dort sich erhebend, blieb unerwähnt. Zu ihrer publizistischen Hinterlassenschaft gehören u.a. die in Moskau gedruckte Schrift "Marx und Engels über das reaktionäre Preußentum", Schulungshefte der SED und eine dünne Broschüre mit Friedrich Engels' Aufsätzen unter dem Titel "Deutsche Zustände". Dies alles ist inzwischen in der Schublade mit der Aufschrift "Verordneter Antifaschismus (nebst ebensolchem Antimilitarismus)" abgelegt; und sie sollte diesmal nicht aufgezogen werden. Übergangen wurde auch die kurz darauf folgende, ebenfalls politisch geleitete Beschäftigung mit den Jahren 1812 und 1813 anläßlich einer Folge von nicht eben runden 140. Jahrestagen, als zuerst der preußisch-russischen "Waffenbrüderschaft" in allerlei Schlachten gedacht, dann aber vor allem an deutsche Einheitshoffnungen erinnert wurde. Daß Kommunisten, Internationalisten zumal, dies 1953 getan haben, steht auch nicht im Zentrum gegenwärtiger Gedenkens, das sich auf den 17. Juni jenes Jahres schon zu fixieren beginnt. Angelangt im Jahr 2001 war die Rede von den Geldtöpfen, an die nicht nur die Richtigen, d.h. Berechtigten, sondern ebenso Leute herankamen, die mit Preußen eigentlich nichts zu tun hatten. Kaum gesprochen ward vom gewiß schwer feststellbaren geistigen Ertrag des vielen Aufgewendeten. Das Ganze, so resümierte Knopp, sei unspektakulär verlaufen. Niemand habe dieses Preußen wieder haben wollen, es sei und bleibe tot. Erst als ein sozialdemokratischer Landesminister, die Kampagne war schon beendet, auf die Idee verfiel, dem (noch nicht) vereinigten Berlin und Brandenburg entgegen deutschen Vorbildern keinen Bindestrich-Namen zu geben, sondern es Preußen zu heißen, sei "Leben in die Bude" gekommen. Doch sei auch das nur als verfehlter Wiederbelebungsversuch an einem geschichtlichen Leichnam zu bewerten. Anders und revitalisierbar gelten dem Redner die "preußischen Tugenden". Die könnten auch einem demokratischen Staatswesen wie der Bundesrepublik etwas bedeuten, zumal in Zeiten, da sich Korruptionsskandale aneinander reihten. Da tönte es wieder, das 1797 installierte Glockenspiel, bei dessen Signalen nachdenklich - je nach Stimme - mitgesungen oder doch wenigstens mitgesummt werden soll: "Üb' immer Treu und Redlichkeit ...". Bekenntnisse und Gelöbnisse lassen sich nicht diskutieren. Das wissen Politiker, Kirchenleute und Militärs natürlich auch. Und so wurde, gegen alle im Hause sonst geübte demokratische Gewohnheit, nach Fragen, Zusätzen und Einwänden der Zuhörer nicht geforscht, als der Professor geendet hatte. Die Szene wechselte und es wurde eingeladen, eine nur ein paar Schritte entfernt eingerichtete Ausstellung zu betrachten. Und die war erbaulich. Meister der weitgehend ausgestorbenen, aber erfreulicherweise nicht tot zu kriegenden Kunst des Handsatzes hatten sich vereint und eine Mappe (Auflage: 62 Exemplare) mit Drucken zum Thema "Luises Glanz und Preußens Gloria" gefertigt. In unterschiedlichen Graden distanziert, meist unverhohlen kritisch, zeigten sie nicht einen Anflug von Bereitschaft, dieses Erbe anzutreten. Das Gebotene beschreiben, heißt ihm mehr nehmen als geben. Sei's drum. Einer der Meister - zu den Deutschen gesellten sich Niederländer, ein Spanier und ein Österreicher - hat auf dem von ihm gestalteten Blatt drohende Texte zusammengestellt, die ältesten Bürgern Berlins aus frühen Nachkriegszeiten noch in Erinnerung sein mögen. An Haustüren und in Hausfluren, an Mauern und Zäunen stand es zu lesen, meist schwarz auf weiß, auf Emailleschildern und anderem dauerhaften Grund: "Die Haustür ist nach 18 Uhr verschlossen zu halten!" und "Fahrräder anstellen verboten!" und "Betteln und Hausieren verboten!" und "Das Spielen im Hof ist verboten!" Der Zusatz des Meisters lautete knapp: "Preußisches Kulturerbe". Einer seiner Zunftgenossen hatte den Berliner Volksmund bemüht: "Preuße zu sein ist eine Ehre, aber kein Vergnügen." Die Warnung dürften auch die Hohlköpfe, welche von der Spaßgesellschaft erzeugt werden und sie ausmachen, noch verstehen. Ein dritter schrieb unter einen Sessel, einem Thron verwandter denn einem Stuhl: "Moltke". Keine Frage: Der ästhetische und geistige Genuß, den die Blätter zu vermitteln vermögen, erschließt und erhöht sich mit Vorkenntnissen in preußischer Geschichte, vorausgesetzt diese rühren aus liberaler, demokratischer oder sozialistischer Feder her. Der Ausstellung ist eine Reise mit vielen Stationen zu wünschen.
Erschienen in Ossietzky 6/2002 |
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