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Die Romane der drei Schwestern Brontë erleben immer neue Auflagen, und die Geschichte ihres kurzen und traurigen Lebens voller unerfüllter Sehnsüchte zieht 150 Jahre nach ihrem Tode immer mehr Pilger aus aller Welt in das Dörfchen Haworth im Herzen dieser Yorkshire-Landschaft. "Da kommen Menschen aus Japan und brechen auf der Türschwelle in Tränen aus", berichtet Mike Hill, der Direktor des Brontë Parsonage Museums. Rund 100 000 Besucher wurden dort im Jahre 2001 gezählt. Unter den Ausländern stellten die Deutschen nach den Nordamerikanern die größte Besuchergruppe. Der Ort Haworth gibt sich zunächst grau. Dunkle Sandsteinfassaden reihen sich entlang der steilen Hauptstraße mit ihrem uralten Holperpflaster. Die schlichten kleinen Häuser wurden vor 200 Jahren für die Arbeiter der boomenden nordenglischen Textilindustrie errichtet. Heute beherbergen sie Teestuben und Andenkenläden. Geräumige Parkplätze am nahen Ortsrand halten die Touristenautos aus dem Zentrum fern. Doch wer nach Haworth kommt, führt weder Golfschläger noch Surfbretter im Gepäck. Sein Ziel ist das alte Pfarrhaus hinter der Kirche und dem Friedhof. Hierher zog im Jahre 1820 der Pfarrer Patrick Brontë mit Frau und sechs Kindern. Zwei Töchter und die Mutter starben kurz darauf. Keines der übrigen Kinder wurde älter als 40 Jahre. Für sie wurde Haworth Heim für den Rest ihres Lebens. Vater Bront förderte intensiv die literarischen Interessen seiner Töchter Charlotte, Anne und Emely und des Sohnes Branwell, lebte im übrigen aber völlig zurückgezogen von der Familie und teilte nicht einmal die Mahlzeiten mit seinen Kindern. Abseits der dörflichen Proletariergemeinschaft schufen sie sich ihre eigene, üppige, phantasievolle Gegenwelt. In winziger Geheimschrift beschrieben sie die utopischen Reiche Angria und Gondal. Hier am Wohnzimmertisch, der noch heute im Original mit den damaligen Schreibutensilien zu besichtigen ist, entstanden die Hauptwerke der drei Brontë-Schwestern: "Jane Eyre" von Charlotte, "Wuthering Heights" ("Sturmhöhe") von Emely und "Agnes Grey" von Anne. Auf dem steilen Weg zur Brontë-Welt trifft man noch vor der Kirche auf den "Black Bull", die Kneipe, in der sich Branwell zu Tode getrunken hat. Vorbei an der Kirche und den bemoosten Grabsteinen findet man das Pfarrhaus, das seit 1928 das Brontë Parsonage Museum beherbergt. Ein reicher Verehrer hatte es der Kirche abgekauft. Das Haus ist stilvoll renoviert, ausgestattet mit zahlreichen echten Requisiten und Möbelstücken der Familie, die von den Dorfbewohnern zurückgekauft werden mußten. Doch die Brontë-Kennerin Elsemarie Maletzke erinnert den Besucher daran, "... daß er wohl doch nicht verstehen wird, was sich in diesen Räumen zugetragen hat. Das liegt nicht nur daran, daß alles, was heute zentralbeheizt und mit Blümchentapete und Vorhängen ausgestattet ist, vor 150 Jahren steinern, kalt und kahl war. Daß der Blick aus den Fenstern nicht auf Buchen und Eiben fiel, sondern auf die Grabsteinöde des Friedhofs, der, überfüllt und zugedeckelt, bis in die alte Kirche hinein stank und auf dem Trinkwasser einen Film hinterließ, der Krankheit und Tod ins Pfarr haus beförderte." Die mit Akribie und in viktorianischem Geist von der Bront Society verwaltete Gedenkstätte sagt über die wirtschaftlichen und politischen Zeitumstände wenig aus. Nur einmal fällt ein Schlaglicht: Der Babbage-Report des Jahres 1850 teilt mit, daß 41,6 Prozent aller in Haworth Geborenen nicht das sechste Lebensjahr erreichten. Das durchschnittliche Sterbealter betrug 25,8 Jahre, woran nicht nur das verseuchte Wasser aus der Friedhofsquelle schuld war, sondern vor allem die Kinderarbeit bis zu 14 Stunden täglich außer sonntags, die in der frühen englischen Industriegesellschaft die Regel war. In ihrem weniger bekannten Roman "Shirley" schildert Charlotte Brontë die gesellschaftlichen Konflikte jener Zeit, die sich aus der Einführung der mechanischen Webstühle ergaben: die Massenarbeitslosigkeit in den Yorkshire-Tälern und das Aufbegehren der Maschinenstürmer-Bewegung; sie erwähnt auch die Parteinahme des Klerus für die Fabrikbesitzer. Aus Angst vor den militanten Gegnern der industriellen Revolution, so weiß Museumsdirektor Mike Hill aus der Überlieferung zu berichten, habe Vater Patrick Brontë stets mit einer Pistole unter dem Kopfkissen geschlafen. Zur Abschreckung habe er sie jeden Morgen mit Schüssen auf die Kirchenmauer entladen. Nach dem bedrückenden Museumsbesuch bietet sich dem Besucher eine Wanderung in die Hügel und Moore der Yorkshire-Landschaft an. Der ausgeschilderte "Brontë-Pfad" führt vorbei an Steinen und Höhlen, die uns schon in den Romanen der Brontës begegnet waren. Der Herrensitz des "wölfischen Menschen" Heathcliff in Emelys "Wuthering Heights" heißt auf der Karte "Top Withens". Es ist ein verfallenes Steinhaus mit leeren Fenstern und einem zerzausten Baum, wo sich dieses Drama von Haß und Leidenschaft abgespielt haben soll. Schafe grasen hier friedlich vor der Kulisse eines braunen Heidemeeres. Es war ein Lieblingsplatz Emelys, den sie in "Wuthering Heights" so beschrieb: "Im Winter konnte es nichts Traurigeres, im Sommer nichts Herrlicheres geben als die zwischen Bergen eingeschlossenen Schluchten und die steilen, mit Heidekraut bewachsenen Hänge."
Erschienen in Ossietzky 6/2002 |
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