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Denn "Ermittlungen im Umfeld des Arztes oder der Schwangeren lassen wenig zuverlässige Aufklärung erhoffen oder müßten sehr breit und zugleich intensiv angelegt sein, sollten sie einigen Erfolg versprechen." Die Annahme eines Geheimbunds von KindstöterInnen, der eine "zuverlässige Aufklärung" der Behörden hintertreibe, beflügelt das um "einigen Erfolg" bemühte Gericht: "Der Abbruch der Schwangerschaft nach § 218 ist ein Delikt von erheblichem Gewicht; die beschriebenen Widrigkeiten" - daß durch bloße Vernehmungen der Angeklagten kein hinreichendes Belastungsmaterial zu beschaffen sei - "dürfen nicht dazu führen, daß verbotener Schwangerschaftsabbruch faktisch nicht verfolgt wird". Europa vor zehn Jahren: Polen debattiert ein neues Gesetz, nach dem Abtreibung mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden soll. Jährlich reisen etwa 6000 Irinnen nach Großbritannien, um das Totalverbot von Abtreibungen zu umgehen. Im spanischen Malaga wird ein Arzt verurteilt, weil er den Abbruch bei einer sexuell mißbrauchten Vierzehnjährigen vornahm: vier Jahre Haft und sechs Jahre Berufsverbot. Als hätte das EU-Parlament 1990 nicht per Entschließung den "dringenden Wunsch" geäußert, "daß Frauen in der gesamten EU das Recht auf Selbstbestimmung über ihr eigenes Leben zugestanden werden muß, also auch das Recht, sich zwischen Elternschaft und der Unterbrechung einer unerwünschten Schwangerschaft zu entscheiden". Alle Mitgliedsstaaten wurden aufgefordert, "für eine sichere, erschwingliche und allen Frauen zugängliche Abtreibungshilfe Sorge zu tragen". Eine Dekade später herrscht im Mitgliedsstaat Portugal noch immer das alte Strafunrecht. Ende vergangenen Jahres richtete die kommunistische Europaabgeordnete Ilda Figueiredo einen dringenden Solidaritätsappell an die Öffentlichkeit: 43 Frauen werden von der Staatsanwaltschaft der Gemeinde Maia nahe Porto beschuldigt, illegal abgetrieben zu haben oder Teil eines illegalen "Abtreibungs-Netzwerks" zu sein. Laut Figueiredo ist Portugal mit dem Strafmaß von bis zu drei Jahren Haft "eines der europäischen Länder mit der restriktivsten und strengsten Gesetzgebung". Zum Prozeßauftakt berichtete Elizabeth Nash im britischen Independent Einzelheiten des Massenverfahrens: "Die meisten beschuldigten Frauen gaben an, die Schwangerschaft aus wirtschaftlichen, psychologischen oder persönlichen Gründen beendet zu haben. Eine Zwanzigjährige, die vier Kinder hat, krank und arbeitslos ist, wurde von ihrem Mann verlassen. Eine Sechzehnjährige haust mit ihrem behinderten Bruder in einem Wohnwagen. Einige waren in so großer Not, daß sie ihren Schmuck abgaben, um den Eingriff zu bezahlen... Hauptangeklagte ist die Krankenschwester Maria do Ceu Ribeiro, die von ihrem Haus aus einen Abtreibungsring aus Apothekern, Ärzten, Krankenschwestern und Taxifahrern organisiert haben soll. Sie wird beschuldigt, aus Krankenhäusern, in denen sie arbeitete, Instrumente, Beruhigungsmittel und Antibiotika gestohlen zu haben." Die Angeklagte bestritt die Vorwürfe entschieden. In zwölf Abtreibungsverfahren waren 1998/99 in Portugal acht Frauen verurteilt worden. Jedes Jahr werden heimlich Tausende von Abtreibungen unter illegalen und unhygienischen Bedingungen vorgenommen. Portugiesinnen, die es sich leisten können, reisen zum Abbruch nach Spanien. "Die Hindernisse für abtreibungswillige Frauen demonstriert die offizielle Statistik, nach der 1999 nur 491 Abbrüche stattgefunden haben sollen. Mitarbeiter im Gesundheitswesen gehen hingegen von 40 000 aus. Nach ihrer Ansicht sind verpfuschte Abtreibungen die Hauptursache für die Frauensterblichkeit in Portugal", so der Independent. "Tausende müssen so sterben, hilft uns denn keiner?" ließ der selbst nach §218 verfolgte Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf 1929 in dem Theaterstück "Cyankali" seine sterbende Protagonistin den Schandparagraphen anklagen. Inzwischen liegt das in Maia gesprochene Urteil vor: Die Hebamme wurde wegen Betrugs und Unterschlagung zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und obendrein zu einer Geldstrafe von 34 000 Euro. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß sie fortgesetzt Abtreibungen vorgenommen, Medikamente gestohlen und Dokumente gefälscht habe. Gegen weitere 25 Angeklagte, darunter Ärztinnen, Krankenschwestern, Apothekenhelfer und ein Sozialarbeiter, wurden Gefängnisstrafen verhängt, die in Geldstrafen umgewandelt werden können. 15 der 17 Frauen, die der Abtreibung beschuldigt worden waren, sprach das Gericht aus Mangel an Beweisen frei. Die beiden Übrigen waren die Einzigen, die gestanden hatten. Eine von ihnen mußte freigesprochen werden, weil die Tat inzwischen verjährt war; die andere wurde zu vier Monaten Gefängnis oder Zahlung einer Geldstrafe von 120 Euro verurteilt - ausgerechnet die alleinerziehende Mutter von 20 Jahren, die ausgesagt hatte, sie habe die Abtreibung nur vorgenommen, weil sie arbeitslos sei und kein Geld habe, ein weiteres Kind zu ernähren. Das Urteil wurde übrigens nicht in einem ordentlichen Gerichtsgebäude gesprochen, sondern in einer Sporthalle.
Erschienen in Ossietzky 6/2002 |
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