Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Sprachschwierigkeitenvon Hans Jacobus Wir waren junge Emigranten in England. Wir arbeiteten. Klärten über die Hitler-Politik auf, so gut wie wir es verstanden. Dann ergab sich eine besondere Aufgabe: Polnische Kinder kamen ins Land. Wir waren froh, daß wir den 14- bis 16- Jährigen helfen durften, wieder im Leben anzukommen, und besorgt, ob uns das gelingen würde - denn sie kamen aus Auschwitz. Diese Jungen hatten dort Tag für Tag vor den Toren der Gaskammern kauernd Kleidungsstücke aussuchen, zusammentragen, sortieren müssen. Das tote Material von den Körpern lösen müssen, die eben noch gelebt hatten. Jacken und Hosen. Hemden, blutbefleckt. Schuhwerk, zerrissen von den Märschen, die ins Gas führten. Wir sollten den Jungen erklären, wie man zum Essen Besteck und Geschirr benutzt, sollten ihnen Freizeitmöglichkeiten nahebringen. Aber wie? Das Hauptproblem war: Sie sprachen nur polnisch miteinander. Wir konnten uns mit ihnen nicht auf englisch verständigen - nur in deutsch wäre es möglich gewesen. Aber dadurch kam es zum Eklat: Sie lehnten es ab, deutsch zu sprechen oder auch nur anzuhören. Sie kannten es aus Befehlen, lebensgefährlichen Befehlen. Sie haßten uns wegen dieser Sprache. Geduldig versuchten wir, sie zu verstehen, warben um sie, um ihre Anerkennung. Bis endlich einer zu sprechen begann: Jurek. In heiserem Deutsch mit polnischem Akzent sprach er von seiner Heimatstadt und den "verlorengegangenen" Eltern. Von deutschen Befehlen, zu "sortieren". Die SS-Leute auf der Rampe hatten "selektiert", die Jungen hatten zu "sortieren". Das Wort grub sich furchtbar in mein Gedächtnis. Und eine kleine Melodie mit wenigen Worten. Jurek sang sie, als er Zutrauen zu uns faßte. Ein deutscher Mithäftling hatte sie in Auschwitz gesummt und erklärt und wohl immer wieder gesungen, leise, hoffnungsvoll oder bitter. "Roter Wedding" sang Jurek mit seiner heiseren Stimme für mich. "Roter Wedding, grüß Euch, Genossen!" Welche Hoffnung, welche Bitterkeit. Die Erinnerung drängte sich auf, als ich neulich in einer kleinen Seitenstraße des Berliner Stadtbezirks Wedding beobachtete, wie auf dem Pflaster gebrauchte Wäsche ausgebreitet, tragbare aussortiert wurde. Schnell, geschäftig. Wedding ohne Gruß. Kein Rot und keine Genossen. Armut - und keine Träume mehr?
Erschienen in Ossietzky 6/2002 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |