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Und wozu es gebraucht wird. Die neue Konzeption der Ausstellung ist der Schritt in die neue deutsche Normalität. Was die Kritiker der ersten "Wehrmachtsausstellung" eigentlich wollten, ist geschehen: Das Hamburger Institut für Sozialforschung hat sich nicht nur berechtigter Kritik gebeugt, sondern auch Abstand von einer Provokation genommen, die lästige, nach Meinung des Institutsleiters Reemtsma renommeeschädigende Folgen gezeitigt hatte. Unzeitgemäße Fragen wirken ja immer provozierend. Fragen nach der Verantwortung des Jedermann, also auch des Wehrmachtssoldaten, im verbrecherischen Vernichtungskrieg, Fragen nach seinem Tun und Handeln, nach seinem Antisemitismus und Rassismus wurden als Fragen an die deutsche Nation als Ganze verstanden. Die Kritiker - will sagen: die Angreifer von rechts - bezichtigten die Macher der ersten Ausstellung, die "Kollektivschuldthese" zu popularisieren. Dieser Vorwurf enthielt ihr eigenes vergangenheitspolitisches Interesse: die nach der gescheiterten Entnazifizierung erkannte Differenz zwischen strafrechtlicher und politisch-moralischer Schuld einzuebnen. Wenige Täter waren vor das Strafgericht gestellt worden, die große Zahl der Deutschen hielt sich daraufhin für nicht schuldig - im Sinne der Anklage. Dieses Ende der "Entnazifizierung" wurde als Entlastung fehlinterpretiert - so als ob man nun ein bestätigtes Recht hätte, in die sogenannte Normalität zurückzukehren. Fragen nach den Kontinuitäten zwischen Wehrmacht und Bundeswehr kommen den Besuchern beim Anblick der neuen Ausstellung nicht mehr in den Sinn. Die Rolle führender Nazigenerale beim Aufbau der Bundeswehr, deren Karrieren und die fortwirkenden Traditionen der Wehrmacht sind kein Thema mehr. Schon gar nicht wird zum Nachdenken über die aktuellen Kriegseinsätze der Bundeswehr provoziert. Denn die Wehrmachtsverbrechen werden eben "rein wissenschaftlich" betrachtet; einziger Bewertungsmaßstab ist das während der Nazi-Zeit geltende Völkerrecht, von dem sich der deutsche faschistische Staat ausgeschlossen hatte. Im Chor einhelliger Zustimmung zur neuen Ausstellung findet Kritisches kaum Beachtung, was auf weitgehenden Konsens zwischen Ausstellungsmachern und Medien schließen läßt. Dieser geschichtspolitisch erwünschte Konsens wird auch von der konservativen Radikalkritik an der ersten "Wehrmachtsausstellung" mitgetragen. "Die Wehrmacht war keine Mörderbande" freut sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung, ein Hauptorgan der Ablehnungsfront gegen die ursprüngliche Ausstellung, nun in der Überschrift eines Interviews mit Reemtsma und der neuen Ausstellungsleiterin Jureit. Der erfreute FAZ-Leser versteht es so, daß das durch die Enttarnung der "sauberen Wehrmacht" erst nach 1995 ins öffentliche Bewußtsein gedrungene realistische Wehrmachtsbild revidiert sei. Einwände nicht-konformer Historiker verhallen. So hat der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann zurecht die Frage aufgeworfen, ob der völkerrechtlichen Betrachtungsweise nicht insofern Grenzen gesetzt sind, als sie die wirklichen Triebkräfte des Mords auf Befehl nicht erfasse und damit die Institution Wehrmacht im Nazi-Regime nicht hinterfrage. Wippermann kritisiert auch das Verschweigen der Ermordung der Roma, die nicht per Fußnote abgetan werden könne. Werner Röhr bemängelt die Behandlung des Partisanenkrieges: Die Ausgangsposition der Wehrmacht gegenüber den Partisanen werde als rechtens unterstellt und nur das Maß der Repressalien für völkerrechtswidrig erklärt. Röhr beanstandet auch, daß die neue Ausstellung die Rolle ehemaliger Wehrmachtsoffiziere beim Aufbau der Nationalen Volksarmee der DDR maßlos übertreibe und den Antifaschismus rundherum diffamiere. Vor allem aber reduziere die neue Ausstellung die Motivation des Vernichtungskriegs auf Rassenideologie. Mit der These vom "rassenideologischen Vernichtungskrieg" würden - wie in aktuellen Kriegen, in denen die Bundeswehr angeblich Werte der westlichen Zivilisation verteidigt - Ideen herbeizitiert, um weitergehende Interessen (Eroberung von Ressourcen, Raub, Kolonisierung) gar nicht erst benennen zu müssen. Durch den Anschein höherer Professionalität (Röhr) wird der Blick für wesentliche Zusammenhänge verstellt, die in der ersten Ausstellung erkennbar gewesen waren. Die provozierenden erschütternden Bilderreihen, mit denen die erste Ausstellung volkspädagogische Wirkung erzeugte, waren nicht bloß Beleg (Bernd C. Hesslein in Ossietzky 24/01), sondern Medium, um eine große Zahl von Menschen anzusprechen und sie in einen nachfragenden und selbstaufklärerischen Diskurs zu bringen. Aber "Volkspädagogik" wird nun diktatorischer Absichten verdächtigt. Viele Historiker begrüßen die drastische Verminderung der gezeigten Bilder und die Ausweitung des erklärenden Textteils, weil dadurch Rationalität gegenüber Emotionalität gestärkt werde. Sie übersehen dabei, daß die Hunderttausende Besucher der ersten Ausstellung gerade durch die Bilder aufgerüttelt wurden - was endloser Text eben nicht vermag. Im NATO-Krieg gegen Jugoslawien und im jüngsten Krieg gegen Afghanistan wurden der Öffentlichkeit Bilder von den Schäden, den Opfern, den Schrecken des Krieges sorgsam vorenthalten. Konkrete Visualisierung macht betroffen und hat die Wirkung, uns zu der entscheidenden Frage vordringen zu lassen: Wie konnte es geschehen? Wer sich an Angriffskriegen beteiligt, kann an einer solchen Sicht und deren unerwünschten volksbewegenden Folgen nicht interessiert sein. Es mutet daher wenig erstaunlich an, wenn die vermeintliche Unzumutbarkeit von Bildern mit pädagogischen Argumenten gerechtfertigt wird (indem Pädagogen den Vorwurf der "Volkspädagogik" pädagogisch begründen. Die neue Ausstellung habe die unmittelbare "biographische Virulenz" verloren und sei "Konsenshistorie" geworden, so beschreibt Michael Jeissman in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den nicht allein wissenschaftlichen, sondern auch geschichtspolitischen Vorgang: "Kein Schlußstrich ..., sondern die gelungene Metamorphose einer Vergangenheitsbewältigung, die nun selbst historisch geworden ist". Mit anderen Worten: Sind Vernichtungskrieg und Wehrmachtsverbrechen erst einmal historisiert, können auch keine Wehrmachtsdebatten - wie zuvor vom ehemaligen NATO-General Klaus Naumann beklagt - die neue Bundeswehr mehr daran hindern, Frieden in alle Welt zu bringen! Die in Berlin gestartete neue Wehrmachtsausstellung ist vom 27. Januar bis 17. März in Bielefeld zu sehen. Von Johannes Klotz (zusammen mit Detlef Bald und Wolfram Wette) ist soeben im Aufbau-Taschenbuch-Verlag Berlin das Buch "Mythos Wehrmacht. Traditionspflege und Nachkriegsdebatten" erschienen.
Erschienen in Ossietzky 2/2002 |
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